Schatztaucher. Abenteuer unter Wasser by Nikolai von Michalewsky

Schatztaucher. Abenteuer unter Wasser by Nikolai von Michalewsky

Autor:Nikolai von Michalewsky [von Michalewsky, Nikolai]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105605417
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-12-26T16:00:00+00:00


Vor dem Hotel parkte ein großer Autobus mit einem Schub neuer Gäste.

Vor dem Hotel stand auch Henri Barrière.

Die Pfeife zwischen den Zähnen, lehnte er am Fahnenmast. Sein Gesicht glich mehr denn je einer Qualle: gestaltlos und bar jeglichen Ausdrucks und Gefühls. Auch Lidia entdeckte ihn; ihre Hand legte sich plötzlich auf meinen Arm.

Henri Barrière nahm die Pfeife aus dem Mund und kam heran, mit seinem schleppenden Schritt, und noch bevor er stehenblieb, ahnte ich, daß der begonnene Tag nichts Gutes für mich enthielt.

»Toni Brunner«, sagte Henri Barrière, »hat Paolo zum Auslaufen überredet. Ich dachte: unter diesen Umständen verschiebe ich die Abreise.«

Der Tag war mir auf einmal vergällt. Es wurmte mich, daß Paolo etwas unternahm, ohne mich ins Vertrauen zu ziehen.

»Was geht das uns an«, sagte ich kühl, »wenn sie mit Toni Brunners Seelenverkäufer draußen sind?«

Henri Barrière schüttelte unwillig den Kopf.

»Ich meine, Sohn, sie sind draußen mit deiner Solitaire, und ich meine auch, sie sind nicht ausgefahren, um sich die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen.«

Einen Atemzug lang fühlte ich mich ausgelaugt: vom Zorn auf Toni Brunner, der sich meines Schiffes bemächtigt hatte, mehr aber noch vor Sorge um Paolo, der diesem übergeschnappten Österreicher ausgeliefert war. »Danke, Henri«, sagte ich schließlich, »danke, daß du mich jetzt nicht im Stich läßt!«

Guter, alter, treuer Henri Barrière! Ohne ihn wäre ich doppelt hilflos gewesen.

Lidia fragte: »Will mir endlich jemand verraten, was das zu bedeuten hat?«

Ich zögerte – unschlüssig, ob ich Lidia die Wahrheit sagen sollte. Henri Barrière nahm mir die Entscheidung ab.

»Das bedeutet«, sagte er, »daß Ihr kleiner Bruder lebensmüde ist. Er hat sich von diesem Scheißkerl beschwatzen lassen.«

Lidia wandte sich an mich.

»Roberto, ist das wahr?«

»Ja«, antwortete ich unglücklich. »Er ist mit Toni Brunner draußen.«

»Um nach dem Gold zu tauchen?«

»Henri und ich nehmen das an.«

»Aber du sagst doch: das Gold liegt zu tief?«

»Toni Brunner muß den Verstand verloren haben.«

Irgendwie – spürte ich – war ich nicht unschuldig an dieser Entwicklung der Dinge. Mit Toni Brunner hatte ich das Fieber an Bord geholt. Durfte ich mich wundern, daß ein Kindskopf wie Paolo der Versuchung auf die Dauer nicht widerstand?

Henri Barrière räusperte sich.

»Sohn –«

»Was ist?«

»Wir brauchen ein Boot, Sohn. Zu Fuß wäre das ein weiter Weg.«

»Ein Boot!« erboste ich mich. »Hast du je versucht, in diesem Kaff ein Boot zu mieten?«

Lidia stieg aus. Während Henri Barrière ächzend ihren Platz einnahm, eilte sie auf dem knirschenden Kies um den Wagen herum.

»Roberto!« sagte sie aufgeregt. »Du mußt ihn zurückbringen!«

»Paolo kommt zurück!« antwortete ich. »Darauf kannst du Gift nehmen.«

»Und ich?« fragte Lidia. »Kann ich mich nicht auch irgendwie nützlich machen?«

»Doch«, sagte ich wütend, »du kannst beten!«

Zu viel Zeit war bereits vergeudet worden. Ich legte den Gang ein und gab Gas. Im Niedertreten des Pedals entlud sich meine Verzweiflung.

Henri Barrière liegte mir seine schwere Hand aufs Knie.

»Sohn«, sagte er, »nimm ein bißchen Rücksicht auf die Menschheit!«

Er hatte recht. Ich fuhr zu schnell. Die schmale Straße zwischen den Häusern war voll spielender Kinder. Widerstrebend bezwang ich meine Ungeduld.

Der Hafen war wie ausgestorben. Wer immer über ein Boot verfügte, war damit bereits unterwegs.



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